mit Karen Bößer und Beatrix Szörenyi
Wir haben an einer Holotropen Atemsession in Essen bei einem Atemtherapeuten teilgenommen, um neue veränderte Bewussteins- und Körperzustände kennenzulernen, die durch die veränderte Atemtechnik ausgelöst werden.
Holotropes Atmen (oder: holotrope Atemarbeit, vom griechischen holos „ganz“ und trepein „sich richten auf“ oder „sich begeben“, „auf Ganzheit ausgerichtet“) ist eine von Stanislav Grof entwickelte Atemtechnik, durch die man nach Ansicht ihrer Anwender in Erfahrungsbereiche eintreten kann, die dem Bewusstsein im Allgemeinen nicht zugänglich sind (engl: nonordinary states of consciousness). Grof experimentierte viele Jahre mit LSD in der Psychotherapie. Da die LSD-Therapie umstritten und in vielen Ländern auch gesetzlich nicht mehr zulässig war, forschte er nach anderen Möglichkeiten um solche Zustände zu erreichen. Er entdeckte, dass durch schnelleres und tiefes Atmen (Hyperventilation), unterstützt durch spezielle Instrumentalmusik veränderte Bewusstseinszustände erreichbar sind und integrierte verschiedene, auch bereits existierende Techniken und körperorientierte Verfahren zu einer Gesamtkomposition.
Quelle: Wikipedia
Holotropes Atmen - Anleitung durch einen Therapeuten, der Holotropes Atmen als Therapieform benutzt. Zwei Erfahrungsberichte:
Karen:
Die Session fand in einem separaten, für Therapiesitzungen eingerichteten Haus in Essen statt. Beatrix, ich und der Therapeut saßen auf Stühlen im Dreieck.
In einem Gespräch vorab wurden wir auf die Auswirkungen und Gefahren der Sitzung aufmerksam gemacht, sowie darauf, dass unbequeme Gefühle auftauchen könnten, die wir zulassen sollten. Wir erfuhren auch bei welchen Krankheiten Holotrophes Atmen nicht geeignet sei, nämlich Asthma und Herzkrankheiten.
Zum Ende der Atemübungen begaben wir uns auf Matratzen, die im hinteren Raumabschnitt vorbereitet waren. Im Anschluss gab es ein abschließendes Gespräch, in dem wir berichteten was wir erlebt hatten und wie es uns nun ging. Da wir uns zu einer reinen Erfahrungssession angemeldet hatten, blieb der therapeutische Aspekt der Sitzung unbesprochen. Die Session dauerte insgesamt 4 1/2 Stunden.
Durch diese sehr körperliche Erfahrung kann ich festhalten, dass sich das Atmen sehr gut dazu eignet, die Wahrnehmung auf innerliche, körperliche Phänomene zu richten und in sie einzutauchen.
Angefangen wurde mit einer Atmung durch den Mund. Wobei explizit der Brustkorb, die Lungen, den Atem halten sollten und die Luft nicht bis in den Bauch gelangen durfte, dann sollte ohne Pause der Atem durch den Mund ausgestoßen werden.
Die erste, recht lange andauernde, Atemübung hat mich direkt in einen extremen physischen Zustand gebracht. Es fühlte sich an, als ob sich die Fußsohlen von Boden wegziehen, also die Oberfläche der Haut sich zusammenzieht und der Kontakt zum Boden aufhört.
Die Hände oder besser die Finger und Fingerspitzen zogen sich extrem zusammen, aber pumpten sich auch irgendwie mit „Luftpartikeln“ voll. Es entstand ein Gefühl von Kälte und Nässe, ein kaltes, nasses Schwitzen und dieses Zusammenziehen von Haut fühlte sich an wie ein „nicht durchblutet sein“ oder ein innerliches ausgesaugt, eingeschrumpft werden.
Da wir bei der Sitzung die Augen geschlossen halten sollten, überkam mich für einen kurzen Moment die Angst vor dem, was gerade mit meinem Körper geschieht, verbunden mit einem Anflug von Schwindel. Das Gefühl des innerlichen Drehens verstärkte sich aber glücklicherweise nicht. Ich gebe zu, ich habe kurz die Augen aufgemacht!
Nach dieser Einführung änderte sich das Atemmuster:
Es folgte ein kurzes, kräftiges Ein- und Ausatmen und danach eine Sequenz mit tiefem, langem Einatmen. Ein „so groß wie mögliches Einatmen“, verbunden mit einem Ausatmen, das bis in den Bauch fallen sollte - wie ein Stein ins Wasser.
Mittlerweile akzeptierte ich die Veränderungen meiner Körperwahrnehmung. Dann kam ein markantes Gefühl im Becken dazu, das sich später in ein kompulsives Zucken und Pulsieren verwandelte. Es hatte etwas spastisches, autonomes an sich und ist definitiv den sich verselbstständigen Bewegungsmustern zuzuordnen. Das Gefühl der Kälte im Oberkörperbereich nahm zu und ich musste mich damit anfreunden, um der Kälte standzuhalten. Währenddessen wurde der Druck in den Händen und Unterarmen ultrahoch und ich versuchte durch Schütteln oder Anfassen der Hände die Situation besser “in den Griff” zu bekommen. Das Anfassen selber hat allerdings eher zu einer Beruhigung und Vergegenwärtigung meiner Extremitäten geführt, als dass es die kalte Nässe, die Taubheitsgefühle verhindert hätte. Auch damit musste ich mich anfreunden.
Nach diesem recht intensiven Parcours, der mehrere Stunden dauerte, sollten
wir uns hinlegen und es gab noch einmal eine Atemübung, die mich an ein Hundehecheln erinnerte und die der Einleitung in die Ruhephase diente.
Ich war da noch der Ansicht, dass die physischen Erlebnisse zwar ungeheuer stark und teilweise unangenehm auszuhalten waren, aber ich doch damit umgehen konnte. Als ich auf dem Boden lag und eine zweite Decke brauchte, da mein Körper sich immer noch eisig kalt anfühlte, dachte ich, dass so eine Session eine rein physische Erfahrung auslöst und wähnte mich bereits in der Endphase der Entspannung. Da ergriff auf einmal eine Art “Rauschen” meinen Körper, das sich langsam zu einer Musikcollage verdichtete und mich förmlich durchflutete. Dieses “Rauschen” verteilte sich auf langen Energiebahnen im Körper und es fühlt sich an, als ob ich in eine andere erst akustische dann auch visuelle Dimension verschoben wurde.
Ich befand mich plötzlich auf einem ockerfarbenden, breiten Weg, der direkt bergauf, in die Luft führte. An seiner Kante war luftleerer Raum. Und dort erschien plötzlich ein Schafskopf und pflanzte sich direkt vor meinem Gesicht auf. Das Schafsgesicht verwandelte sich relativ schnell: Erst in eine Heavy-Metallartige Fratze, dann in einen Totenkopf bis hin zu einem Satanskopf, der seinen Mund aufriss und mir direkt ins Gesicht brüllte.
Mir war bewußt, dass das im Grunde klischeehafte Bilder waren, aber es hatte mich total erwischt. Ich entschied, sie besser zuzulassen. Das Gesicht bekam auf einmal menschliche Züge, oszillierte aber weiter zwischen Satansgesicht, Schafskopf, Widderkopf, dann wieder menschlicher Kopf.
Ich hörte unseren Atemtherapeuten sagen, wir sollten in 3-4 Minuten zu uns zurückkommen. Ich verstand ihn aber schlecht und bat darum, den Sound leiser zu drehen. Den Sound, den es eigentlich nicht gab, und ich fragte mich, wie ich aus diesem Zustand jemals heraus finden sollte.
Bei diesem Gedanken entstand dann aber eine Ruhe und Zufriedenheit, gekoppelt mit dem visuellen Eindruck einer Berglandschaft, welche sich langsam in den realen Raum überblendete. Ich spürte sofort eine extreme Wachheit und Leichtigkeit in meinem Körper und würde meinen Zustand beschreiben mit: gereinigt, innerlich sauber, frisch, lebendig, positiv.
Rückblickend vermute ich, dass das Gefühl des Rauschens im Körper dadurch hervorgerufen wurde, das sich der Atem wieder anfing zu regulieren.
Durch die eingetretene Unter- oder Überversorgung an Luft musste ein Ausgleich auf den Normalzustand stattfinden. Dabei wurde Energie freigesetzt, d.h. das Blut musste durch den Organismus gepumpt werden um zurück zu einen normalen Sauerstoffhaushalt und Kohlendioxidausstoß zu gelangen, wodurch sich das Gefühl einstellte, dass der Körper durchflutet wurde.
Beatrix :
Erstes Atmen, ein Gefühl, als ob einem schwindelig werden könnte.
Aktivität in der Stirn, ein Kribbeln.
Ich stelle mir die Frage, was wird daraus, in welche Richtung geht das?
Ich habe das Gefühl, der Atem geht nicht tief genug. Ich kann nicht das volle Potenzial ausschöpfen.
Alles dreht sich um den Solarplexus, da ist es irgendwie eng, beklemmt, nicht frei.
Langsam finde ich in einen neuen Atemrhythmus, das Kribbeln normalisiert sich. Es kribbelt, aber es ist okay, ich kann weitermachen, es sogar noch steigern.
Ich sitze auf einem Stuhl, meine Füße fangen an zu kribbeln, es ist, als ob sie vom Boden abheben, auch meine Finger kribbeln. Seltsames Gefühl in meinem rechten Kieferknochen. Auf Anfrage des Leiters hin, sagen wir ihm, wie es uns gerade geht. Das Kribbeln verstärkt sich, jetzt ist es auch in den Unterschenkeln, es ist fast an der Grenze zu einem Muskelkrampf. Das Kribbeln im Kopf ist nicht mehr so vorrangig wie das im Körper. Ich habe irgendwie die Gewissheit, dass das kein Krampf wird obwohl es sich krampfig anfühlt. Meine Fingerspitzen prickeln, meine Hände sind auch verkrampft. Ich löse sie aus ihrer Verschränkung. Der Leiter kommt und berührt meine Beine. Ich soll sie heben. Geht das? Ja, es geht.
Die Unterbrechungen bringen mich aus dem forcierten Atemrhythmus, aber ich kann wieder einsteigen. Danach verstehe ich, dass ich kontrollieren kann, wie viel ich atme, wann mehr und wann weniger. Nach dem Heben der Beine verschwindet das starke Prickeln in beiden Beinen, sie sind jetzt warm. Später, bei Beschleunigung des Atems, wird ein Bein wieder prickeliger und kribbeliger, aber das andere bleibt fast ruhig.
In einer späteren Phase, ich weiß nicht wann genau, habe ich das Bedürfnis anders zu atmen. Es hat etwas mit dem Becken zu tun, das auch kribbelt, es ist ein Rauspust-, Rauspress-Atem, der auch intensiv ist und durch den ganzen Körper geht, vor allem den Oberkörper. Das Gefühl etwas rauspressen, rauswerfen zu müssen geht mit der Bewegung einher. Der Leiter sagt mir nach einiger Zeit, dass ich das Ausatmen mehr betone als das Einatmen. Einige Zeit atme ich trotzdem so weiter, weil ich das Gefühl habe, dass es notwendig ist. Dann gehe ich zurück zur anderen Atemweise und es fühlt sich gut an.
Bei einer neuen, intensiven Atemphase steigert sich das Kribbeln zu einem Zittern und ich habe das Gefühl ich habe eine etwas spastische Oberkörper- und Handhaltung, alles zittert.
Der Leiter fragt mich, ob es mir gut geht. Ja, es geht mir gut, es ist mein Körper nicht mein Geist der zittert.
Ich denke darüber nach, wie lange ich das weiter machen könnte, denn es fällt mir nicht schwer in dem Zustand zu sein, er ist interessant. Kurze Momente, in denen mir die ganze Situation grotesk vorkommt kommen auf, in denen ich lachen möchte. Meine Körperhaltung scheint mir, abgesehen von den Verkrampfungen, kerzengerade. Ich habe mich auch in der extremsten Phase nicht an die Lehne gelehnt, denn es strengte mich nicht an so gerade zu sitzen, ja, mir schien, es ging gar nicht anders.
Mein ganzer Körper ist in Arbeit. In einem Zustand größter Verkrampfung spricht mich der Leiter an und rät mir längere Ausatemzeiten zu nehmen. Das beruhig mich, ist angenehmer und meine Verkrampfungen lösen sich, meine Fingerspitzen prickeln wieder.
Meine Hände folgen einem Bewegungsimpuls, sie suchen nach einem neuen Platz. Sie breiten sich aus, die Handflächen nach oben. Die Mitte der Handflächen sind warm. Ich versuchte auch schon vorher das Zittern, Kribbeln umzuwandeln und aus den Fingern raus zu schieben. Ich entspanne mich mehr.
Wenn ich überhaupt etwas sehe ist es Licht, helles, hellblaues Licht. Zwischendurch fordert der Leiter uns auf aufkommende Emotionen rauszulassen. Komisch, ich habe in dem Sinn gar keine Emotionen oder kann diese gerade nicht entdecken. Ich fühle mich beschäftigt mit dem Atmen, dem Beobachten des Körpers. Ich fühle mich zu keiner Zeit schlecht, verängstigt oder unwohl. Aber das es Emotionen geben sollte, kann ich mir in dem Moment gar nicht vorstellen.
Nachdem ich durch die Verlängerung der Ausatmens schon entspannter wurde, folge ich der Aufforderung mich hinzulegen. Erst kommt es mir wie eine komische Idee vor, die Körperhaltung zu verlassen in der ich bis jetzt war. Dann ist es aber sehr angenehm zu liegen. Der Leiter sagt, wir können langsam runter kommen, auch einschlafen ist okay. Ich frage mich wie ich jetzt jemals einschlafen sollte, ich bin doch voll da und wach vom vielen atmen. Und doch drifte ich langsam ab und schlafe ein. Kurz bevor der Leiter den Schluss der Sitzung ankündigt wache ich auf, frage mich, wo ich bin und mache meine Augen sofort auf.
Das Schlafen hat mich entspannt, es gab keine unangenehmen Gefühle aber auch keine Erinnerung an in die Schlafphase überleitende Bilder. Ich bin für das Ende der Session bereit, habe Energie zum Aufstehen, fühle mich gut und entspannt.
Im Nachhinein, später am Nachmittag, habe ich einen Druck im Kopf, leichte Kopfschmerzen, eine leichte Verspannung im Nacken, ich merke es war heute „irgendwas“.
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